„Jeder ist seines Glückes Schmied“, weiß ein bekanntes Sprichwort. Doch was macht uns eigentlich glücklich? Wir wollten es wissen und haben Bielefelder*innen getroffen, die diese „Schmiedekunst“ offensichtlich beherrschen – und damit so ganz nebenbei auch noch andere glücklich machen.

Umgesattelt

Inga Höfener

Das Glück der Erde liegt bekanntermaßen auf dem Rücken der Pferde. Doch wer fragt eigentlich die Pferde? Die bezahlen dieses Glück nämlich häufig mit Rückenschmerzen und viele leiden unter einer sogenannten Trageerschöpfung. Um daran etwas zu ändern, hat Inga Höfener komplett umgesattelt.

Seit einem Jahr arbeitet die ehemalige Rechtsanwältin als Pferdetrainerin. Ein mutiger Neuanfang, der auch das Leben ihres früheren Reitschulpferdes komplett auf den Kopf gestellt hat. Dabei begann ihre Liebe zu den Vierbeinern ganz typisch: Als begeistertes Pferdemädchen bekam die damals Sechsjährige den ersten Reitunterricht und voltigierte.
Trotz einer langen Pause hat Inga Höfener diese Leidenschaft auch als Erwachsene nie ganz losgelassen. „Vielleicht, weil Pferde so grundehrlich sind. Sie sind wie ein Spiegel und zeigen uns ganz viel über uns selbst, wenn wir ihnen nur zuhören“, lacht die Bielefelderin. „Es gibt vielfältige Wege mit ihnen zu kommunizieren, denn Pferde haben eine ausgeprägte Mimik und Gestik. Doch in der Reitschule wird einem das Verständnis für die Sprache der Pferde in der Regel nicht beigebracht.“ Froh ist die 47-Jährige, dass gerade ein leises Umdenken stattfindet. „Ganz langsam entwickelt sich ein anderes Verhältnis zu Tieren und auch bei großen Sportereignissen toleriert das Publikum keine tierschutzwidrigen Aktionen mehr und etwaige Verstöße werden in den sozialen Netzwerken hitzig diskutiert.“

Ihr persönliches Ziel ist es, den Menschen das Zuhören beizubringen. Und pferdegerechtes Training sieht sie zugleich als angewandten Tierschutz.
Ihr eigener Weg zur lizensierten Geitner-Trainerin für Dual-Aktivierung® und Equikinetic® begann mit einem Herzenskauf. „Typisch für ehemalige Reitschulpferde war mein Pferd zurückgezogen, verschlossen und hatte körperliche Probleme. Da habe ich gedacht: Es kann nicht sein, mit Tieren wie mit einem Sportgerät umzugehen“, unterstreicht Inga Höfener.
Auf der Suche nach einem effektiven Trainingsprogramm, um ihrem eigenen Pferd psychisch und physisch zu helfen, lernte sie das Konzept von Michael Geitner kennen. Im Kern basiert es darauf, dass Pferde als sogenannte „Grauseher“, lediglich die Farben Blau und Gelb wahrnehmen können.
Stark vereinfacht gesagt, arbeitet die Methode mit Farbreizen, um die Verknüpfung der beiden Gehirnhälften des Pferdes zu verbessern sowie durch den Parcours aus blauen und gelben Gassen mit vielen Richtungswechseln die Bewegungskoordination und das Gleichgewicht zu verbessern. „Die Balance zu verlieren, ist die größte Angst eines Pferdes, denn es ist ihm von Geburt an bewusst, dass es Beute ist.
Ist ein Pferd fluchtfähig, wird es gelassener, was für den Reiter eine Lebensversicherung ist“, so die Trainerin. Auch die Equikinetic®, ein intensives Longierprogramm zum Muskelaufbau, empfindet sie nicht nur als partnerschaftliche Abwechslung zum klassischen Reiten, sondern auch als effektives Training für die Reha oder als Abspeckprogramm für übergewichtige Pferde. Eine Arbeit auf Augenhöhe, die viel zu einem positiven Pferd-Mensch-Verhältnis beiträgt.
„Reiten hat schon etwas mit Dominanz zu tun, denn wir sitzen eigentlich da, wo das Pferd von einem Raubtier angegriffen würde.“ Ein Pferd mit gesunder, starker Muskulatur zu reiten, findet sie dennoch vertretbar.

Dass sie das Training, das ihrem eigenen Pferd sehr geholfen hat, nun auch für andere anbietet, hat mit einer persönlichen Krise zu tun. Als international tätige Anwältin, die ständig unterwegs war und eine Wochenendehe führte, merkte die Bielefelderin irgendwann, dass ihr Akku leer war.
Auf den klassischen Burnout folgte die Erkenntnis, dass kein Weg zurück in den Anwaltsberuf führte. Im Reitstall bemerkte sie dagegen, wie viel Freude es ihr machte, anderen die Trainingsmethode beizubringen. „Als dann eine Freundin sagte: ‚Du hast so gestrahlt, du bist da genau in deinem Element‘, hat mich das bestärkt, die Trainerausbildung zu machen“, so Inga Höfener.
„Natürlich kostet es Kraft, Dinge anders zu machen als die anderen und im Reitstall wurde ich durchaus auch kritisch beäugt. Entscheidend ist aber nicht, was die anderen sagen, sondern was das Pferd sagt und das hat mich immer bestärkt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Mich hat dieser Schritt glücklich gemacht und ich habe ihn nicht einen Tag bereut.“
www.hippofit-pferdetraining.de

Das Glück der Kunst

Henning Bock


Speckstein, Alabaster, Tuffstein, Baumberger Sandstein – Henning Bock wählt die Steine, aus denen er seine Objekte formt, mit Bedacht. „Manche Steine sprechen zu einem“, sagt er dazu. „Man muss nur mutig sein und sich auf die eigene Intuition einlassen.“ Und so kann auch ein ungewöhnlicher, kleiner Stein, gefunden am Strand, Ausgangspunkt für eine skulpturale Arbeit sein. Schon als Kind hat Henning Bock sein Glück darin gefunden, mit den Händen plastisch zu gestalten.

Ich habe aus Knete Figuren wachsen lassen oder meine Comichelden aus Sand geformt und als Relief verewigt. Und im Sommer, wenn wir in Friesland unsere Urlaube verbrachten, habe ich mit den Händen Torf modelliert. Ich bin quasi mit natürlichen Materialien soziali iert worden“, erzählt der Bielefelder Künstler augenzwinkernd. Sie faszinieren ihn noch heu te. Die Sensibilität für Formen und Gestaltung erkannten seine Kunstlehrer, einer von ihnen war Bildhauer, früh. „Unter seiner Anleitung habe ich schon früh Radierungen angefertigt“, erklärt Henning Bock, der schließlich neben Bildender Kunst und ihrer Didaktik, Germanistik und Erziehungswissenschaften an der Uni Bielefeld studierte und später als Kunstpädagoge an Gymnasien in Bremen, Herford und Bielefeld tätig war. 24 Jahre lang schulte er außerdem junge Kunstpädagogen.

Ich habe gemerkt, wie sehr es mir liegt, junge KollegInnen an die Praxis der Kunstpädagogik heranzuführen“, sagt der 67-Jährige, der sich damals erfolgreich um die Fachleiterstelle Kunst bewarb. Auch rückblickend empfindet er diese Aufgabe als großes Glück innerhalb seiner Berufsbiografie. „Die Arbeit hat mir sehr viel gegeben und meinen Horizont erweitert.“
Gleichzeitig waren die Jahre seiner Berufstätigkeit für die eigene künstlerische Arbeit eine Beschränkung. „Bis zuletzt habe ich meinen Beruf gern ausgeübt, aber es fehlte einfach Raum und Zeit für eigene Projekte. Daher habe ich mich oft mit Fingerübungen begnügt, um nicht aus der Übung zu kommen“, resümiert er rückblickend.
Zeit, die er als Pensionär jetzt hat und für seine Leidenschaft, die Kunst, nutzt. Seit Sommer 2019 widmet er sich intensiv der freischaffenden künstlerischen Tätigkeit in den Bereichen Skulptur und Plastik sowie Handzeichnung und Druckgrafik. Dabei ist die Druckgrafik eine alte Leidenschaft. „Mit ihr habe ich damals mein Studium begonnen, jetzt vertiefe und entwickele ich das Thema weiter.“
Und während einer Sommerakademie in Borgholzhausen hat er vor drei Jahren eine neue Leidenschaft entdeckt: das Skulptieren. Doch künstlerisch widmet sich Henning Bock nie nur einem Thema. Vieles läuft parallel und ergänzt sich. Zeichnungen sind ideale Vorbereitungen für eine Radierung oder Grundlage für ein Modell aus Ton, das wiederum als Basis für eine Bronzeplastik dient oder Anlass für eine skulpturale Arbeit ist. Arbeiten, für die er seine Werkstatt beim Bielefelder Steinmetz Beckord nutzt.
Ausgangspunkt einer Serie von Zeichnungen, Radierungen, Tonmodellen und Steinskulpturen sind seit 2019 auch Studien im Zoologischen Museum Alexander Koenig in Bonn. Hier dienen ihm Tierpräparate wie der Schädel einer Giraffe als ‚Vorlage‘ für seine daraus erwachsenden Zeichnungen und Objekte. „Ich entferne mich vom Original, transformiere, abstrahiere und reduziere“, beschreibt er seine Arbeitsweise. So entstanden und entstehen seine „Biomorphen Bildwelten“.
Ob er konzeptionell von einer schon vorhandenen Form ausgehend arbeitet – so wie im Falle der Tierpräparate – oder einen experimentellen Weg wählt: Henning Bocks forschender Blick sucht das nicht Offensichtliche, erfasst die Form und die Struktur und spürt das darin Verborgene auf. Dafür steht auch seine aus Tuffstein entwickelte Serie „Täter/Opfer“, die Tod, Leid und Grenzerfahrungen des menschlichen Lebens in Assoziation zum Material entstehen lässt. Der Schaffensprozess ist für ihn oft ein Wechselbad der Gefühle. „Es gibt auch Schaffenskrisen“, so Henning Bock. Dann, wenn er beim Glätten einen Riss im Stein feststellt, etwas wegbricht oder die Tusche verläuft. Doch manchmal stellt sich gerade das Unerwartete und Unerwünschte als kreativer Glücksfall heraus.
www.henning-bock.de

Nächste Ausstellungsbeteiligung:
19.-20. November: „KunstVielfalt“, Ateliers Heinrichstr. 43a, Bielefeld, Sa. 14-19 Uhr; So. 11-19 Uhr

Gänsehautmomente

Musikverein

„Beim Singen hat meine Seele Flügel!“ „Singen ist besser als Schokolade!“ „Musik trägt mich durch mein ganzes Leben.“ Wer die Aussagen auf der Website des Musikvereins liest, versteht sofort, wie hart der Lockdown für die Chormitglieder war. Umso größer war das Glück, als sie beim Weihnachtskonzert im letzten Dezember endlich wieder live singen durften.

Wir wussten alle, wie sehr uns das gefehlt hat“, unterstreicht Bernd Wilden, „aber in dem Moment haben wir das regelrecht körperlich gefühlt. Das war unglaublich.“ Aber warum macht Singen eigentlich so glücklich? „Ich würde die Frage weiter fassen“, lacht der künstlerische Leiter des Musikvereins, „denn ich bin mindestens so glücklich wie der ganze Chor zusammen. Musik ist die Kunst, die uns am direktesten berührt, sofort Emotionen und Erinnerungen auslösen kann. An diesem einzigartigen Erlebnis bin ich als Dirigent sehr nah dran. Das Besondere am Chorgesang oder auch im Orchester ist, dass man es gemeinsam macht. Man kommt sich sehr nahe beim Musizieren, das ist eine wichtige Komponente der Beglückung.“ Das kann Annegret Bokermann, die seit 1988 im Musikverein singt, nur bestätigen. „Das Miteinander hat uns gefehlt. Wir sind glücklich, dass wir weitermachen und wieder zusammen singen können.“ Aber die Bielefelderin schätzt nicht nur die eigene Freude.
„Es macht mich glücklich, wenn das Publikum nach dem Konzert auf uns zukommt und sagt, wie schön es war.
Die Gänsehaut, die wir selbst empfinden, möchten wir auch rüberbringen, das ist uns wichtig.“

„Dieser Moment ist das Größte“, bestätigt Bernd Wilden. „aber daran müssen wir arbeiten.“ Umso glücklicher ist der freischaffende Komponist und Dirigent über seinen Chor. „Was mich als Leiter so glücklich macht, ist die Begeisterung der Chormitglieder, die das Ganze mit ihrem Engagement tragen. Sie alle sind Laien, die viel Freizeit opfern, weil sie der Chorgesang offensichtlich beglückt. Es ist unglaublich, was dadurch möglich ist.“
Dieser Weg vom ersten Lesen der Noten über zahlreiche Proben bis zum Konzert begeistert auch Annegret Bokermann. „Es entwickelt sich etwas und am Ende steht ein Klang, mit dem man gar nicht gerechnet hätte. Obwohl es oft Stellen im Chorwerk gibt, an die wir uns vorher schon Herzchen malen, weil sie so schön sind.“
Doch was genau diese Gänsehautmomente ausmacht, bleibt auch für Bernd Wilden letztlich ein Rätsel. Wieso uns eine bestimmte Tonfolge Tränen in die Augen treibt, lässt sich selbst für ihn als Komponisten nur schwer fassen. „Ich halte sehr gerne die Einführungsvorträge zu den Konzerten und versuche jedes Mal, das Phänomen Musik in Worte zu fassen. Was macht sie mit uns, warum ist sie toll“, so der künstlerische Leiter des Chores. Eine (Teil-) Antwort hat er parat. „Wagner hat das Wesen der Musik mit ‚Liebe‘ beschrieben. In Musik steckt alles drin: Trauer, Freude, Ängste, Sorgen – eben alles, was uns Menschen ausmacht. Wenn wir uns gemeinsam um ein Werk bemühen, eine Tür aufstoßen, bekommen wir vielleicht eine Ahnung von etwas Größerem. Es weht uns was an.“
www.musikverein-bielefeld.de

Die nächsten Termine:
Gloria/1. Symphoniekonzert der Bielefelder Philharmoniker mit dem Musikverein
14.10., 20 Uhr & 16.10., 11 Uhr, Rudolf-Oetker-Halle
Johann Sebastian Bach: Weihnachtsoratorium 22.12., 20 Uhr, Rudolf-Oetker-Halle