Kompakt wohnen

Das Leben auf weniger als 40 Quadratmetern wird auch in Deutschland immer beliebter. Die Minihäuser, sogenannte Tiny Houses, greifen dieses Bedürfnis auf. Das innovative Wohnkonzept spiegelt eine Lebenseinstellung. Den BewohnerInen der Minihäuser geht es um die Reduzierung auf das Wesentliche, um ökologisches Bewusstsein und persönliche Freiheit.

Flexibel, kostengünstig, umweltfreundlich. Diese Kriterien sind es, die auch Heike Helwig spannend findet. „Ich hatte einen Beitrag über Tiny Houses gesehen und war sofort begeistert.“ Die Innenarchitektin, die mit ihrem Partner und dessen Sohn zurzeit 100 qm bewohnt, schaltete dann vor zwei Jahren eine Anzeige, um ein Grundstück für ein Tiny House zu finden. Vergeblich. „Es kamen lauter Anfragen rein“, erzählt die 49-Jährige. Kurzerhand wurde ein Treffen mit den rund 15 Interessierten umgesetzt. Bereits beim zweiten Treffen stand die Idee, einen Verein zu gründen. Aus den 8 Gründungsmitgliedern sind inzwischen 48 Mitglieder geworden. „Wir wollen als Sprachrohr die Idee nach außen tragen“, so Heike Helwig, die gemeinsam mit Wolfram Rach und Claudia Vilmar den Vorstand des Tiny House Bielefeld e.V. bildet, gegründet im August 2019.

Seitdem hat sich bereits viel getan. Der Bielefelder Verein hat sich mit anderen Tiny House Begeisterten – in Karlsruhe ist aus einem Verein inzwischen sogar ein Verband geworden – vernetzt. „Wir unterstützen uns und profitieren voneinander unter anderem bei Konzepten, Rechts- und Grundstücksfragen“, so Heike Helwig mit Blick auf das erste Tiny House Village Deutschlands im Fichtelgebirge. Auf dem ehemaligen Campingplatz mit über 17.000 qm Grünfläche sind 35 Grundstücke für kleine Häuser entstanden. Wer das Leben in einem Tiny House ausprobieren möchte, kann hier sogar Quartier im Tiny House Hotel beziehen. Doch auch in Bielefeld tut sich was in Sachen Tiny House. „Erste Gespräche mit den Parteien waren positiv, SPD und Grüne haben einen Antrag bei der Stadtverwaltung zur Grundstückssuche gestellt“, erklärt Heike Helwig. „Es wurde einstimmig beschlossen, städtische Grundstücke zur Pacht zu suchen, da ist auch der ISB eingebunden. Wir hoffen jetzt zeitnah auf Angebote. Als mögliche Grundstücke kommen Bauland oder Sondernutzungsflächen in Frage.Dann könnten in ein bis zwei Jahren die ersten Häuser stehen.“

Wie ihr persönliches Tiny House aussehen könnte, damit haben sich Heike Helwig und ihr Partner intensiv auseinandergesetzt. Das Paar hat im Winter bereits in einem Tiny House Probe gewohnt. Fest steht: Ihr Tiny House soll eine Grundfläche von 27 qm haben und über zwei Ebenen verfügen. Der Sohn bekommt sein eigenes. „Wir wollen ökologisch dämmen, daher werden die Wände etwas dicker“, so Heike Helwig, die Wert auf die Küchenausstattung legt, auf multifunktionale Möbel setzt, Stauraum clever, beispielsweise unter der Treppe, einplant, das Bad inklusive Stauraum für die Waschmaschine denkt und gern eine überdachte Terrasse hätte. Auch Punkte wie die Raumhöhe und große Fenster sind dem Paar wichtig, das bereits jetzt seinen aktuellen Hausstand verschlankt. „Wir nehmen nur das mit, was wir wirklich benötigen“, sagt die 49-Jährige für die ein Tiny House die optimale Lösung ist. „Beim Umzug kann man es mitnehmen, man lebt in einer Gemeinschaft, die aus mehreren Generationen besteht, versiegelt weniger Fläche als beim Bau eines Einfamilienhauses und am Ende kann man das Grundstück sogar rückstandslos zurücklassen.“

Gebaut werden die Tiny Houses übrigens nach deutschen Baurecht. Je nachdem, ob selbst gebaut wird und gebrauchte Materialien zum Einsatz kommen oder ein Tiny House in Auftrag gegeben wird, variiert der Preis. „Ab 10.000 Euro geht’s los, nach oben gibt es keine Grenzen“, stellt Heike Helwig schmunzelnd fest. Sie rechnet mit Kosten zwischen 50.000 und 70.000 Euro. Ohne Einrichtung, aber inklusive Bad und Schränken. „Es wird also günstiger als ein konventionelles Haus, verbraucht weniger Ressourcen und ist in drei Monaten fertig.“ Ressourcen teilen statt besitzen, ist für die Tiny House Community ebenfalls ein entscheidender Aspekt ihrer künftigen Wohn- und Lebensform. „Da man das Leben stark nach draußen verlagert, braucht es Gemeinschaftsflächen zum Gärtnern im Nutzgarten, Platz für Räder, Werkzeuge und zum Wäschetrocknen. „Es ist wichtig, so viel wie möglich im Vorfeld zu klären. Das betrifft aber nicht nur Finanzen, Rechtsform oder das Tiny House selbst. Daher entwickeln wir gerade einen Fragebogen, um zu gucken, wie tolerant wir sind und wer zu wem passt“, erklärt Heike Helwig.

www.tinyhouse-bielefeld.de