Auf Einladung des Tips-Verlags diskutierten die Mitglieder des Beirats in der Founders Foundation darüber, was Bielefeld jungen Menschen bereits bietet – und wo noch Luft nach oben ist.

Es ist keine neue Erkenntnis, dass die Jugend für unsere Zukunft eine tragende Rolle spielt. Ist Bielefeld im Vergleich zu anderen Städten attraktiv genug für junge Menschen? Und hat die jüngere Generation genug gute Gründe, um hierzubleiben oder aus anderen Regionen hierherzukommen?

Darüber haben wir in einer sehr lebhaften Runde mit Vertreterinnen und Vertretern von wichtigen Institutionen der Stadt in der Founders Foundation – ein Ort, der mit seiner innovativen Start-upSzene sinnbildlich für Zukunft steht – diskutiert. Und um eines vorwegzunehmen: Beim nächsten Mal sitzt die Jugend auch selbst mit am Tisch.

Ein ermutigender Beitrag kam von Martin Knabenreich, Geschäftsführer der Bielefeld Marketing. „Wir haben 2021 eine Umfrage durchgeführt, die Attribute zum Gegenstand haben, die positiv mit Bielefeld assoziiert werden. Dazu gehören exzellente Hochschulen, starke Wirtschaft, am Teutoburger Wald gelegen und dass es viel Natur und Geschichte im Stadtbild gibt. Interessant dabei ist, dass die unter 30-Jährigen die Stadt besser beurteilen als Ältere und dass diejenigen, die nach Bielefeld gekommen sind, sehr gern hier leben. Die Frage ist, mit welchen Städten wir uns vergleichen wollen. Wenn wir nach Berlin blicken, hinken wir in puncto Club-Szene und Kultur hinterher. Im Vergleich zu manchen Städten im Ruhrgebiet ist Bielefeld deutlich attraktiver. Ganz generell ist bezahlbarer Wohnraum ein Riesenthema – insbesondere für die Jüngeren und auch für junge Familien und ein entscheidender Faktor dafür, ob sich Menschen für Bielefeld entscheiden.“

In Sachen Hochschullandschaft sieht Dr. Lars Kruse, Pressesprecher der Hochschule Bielefeld (HSBI), Bielefeld gut aufgestellt. „Das Studienangebot der staatlichen Hochschulen ist sehr vielfältig. Es gibt kaum etwas, das man in Bielefeld an der Uni oder der HSBI nicht studieren kann. An der HSBI überzeugen zusätzlich die vielen praxisintegrierten Modelle. Hierbei sind die Studierenden vom ersten Tag an zu 50 Prozent in einem Unternehmen, bekommen ihre Arbeit dort vergütet und studieren die andere Zeit bei uns an der HSBI. Wir kooperieren in diesem Modell mit 350 Partnerunternehmen aus der Region. Ein weiteres wichtiges Thema: Für junge Menschen ist
Mobilität enorm wichtig. Wer zum Beispiel eine bezahlbare Wohnung in Theesen gefunden hat, stellt schnell fest, dass beim Öffentlichen Nahverkehr und auch bei den Radwegen Luft nach oben ist.

Außerdem müssen wir – jenseits der Hochschulen – aufpassen, dass es Zukunftsperspektiven für alle gibt. Abgekoppelte Milieus sind nicht gut für die Stadt und stehen unserem Anspruch eines durchlässigen Bildungssystems im Weg. Wenn wir ganz allgemein über die Generation Z – also junge Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden – sprechen, brauchen wir zum einen ihre Meinung, aber auch den Rat von Expertinnen und Experten: Seit der Corona-Pandemie hat sich die Haltung der Jüngeren verändert: Nachhaltigkeit ist zwar nach wie vor ein wichtiges Thema, aber Corona und der Ukraine-Krieg haben für Verunsicherung gesorgt. Erste Untersuchungen zeigen, dass ein sicherer Job samt gutem Gehalt wieder mehr in den Fokus gerückt sind.“ „Hier möchte ich gern einhaken“, sagt Brigitte Meier, Prokuristin der Wirtschaftsförderung Bielefeld (WEGE). „Wir müssen diejenigen hören, um die es geht und lernen, was den Jüngeren wichtig ist. Das ist auch genau das, was uns die Personalverantwortlichen der Unternehmen berichten. Jobsicherheit, ein gutes Arbeitsklima, Wertschätzung, sinnstiftendes Arbeiten und flexible Arbeitsformen – das sind die Stichwörter. Als Wirtschaftsförderung sind wir im engen Austausch mit den Unternehmen, um sie dabei zu begleiten, ihre Organisation und Kultur stetig weiterzuentwickeln. Und wir unterstützen sie darin, die jüngere Generation auf den für sie relevanten Kanälen zu erreichen. Das erfordert eine passgenaue Ansprache. Da sehe ich die Bielefelder Wirtschaft sehr engagiert und auf einem guten Weg.

Dilek Güzel, Leiterin Kommunikation Handwerkskammer

Dilek Güzel, Leiterin Kommunikation bei der Handwerkskammer im Campus Handwerk und nach eigenem Bekunden „eingefleischte Bielefelderin“, sieht noch Bedarf bei einer besseren beruflichen Integration von jungen Menschen mit Migrationsgeschichte. „Ich empfinde Bielefeld als weltoffene, bunte und tolerante Stadt. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Aber wir müssen uns in der Handwerkerschaft bei der Suche nach den dringend benötigten Fachkräften noch stärker darum bemühen, mehr Diversität zu erreichen. Außerdem würde ich mir eine Gleichstellung der beruflichen mit der akademischen Ausbildung wünschen. Das müsste sich im Stadtbild und in der öffentlichen Wahrnehmung viel stärker widerspiegeln. Um eine berufliche Ausbildung attraktiver zu gestalten, bieten sich dafür Azubi-Wohnheime für Auszubildende an. Oder die stärkere Einbindung der AzubiCard aus dem Handwerk, mit der es ähnlich wie mit dem Studierendenausweis Ermäßigungen geben könnte. So könnte beispielsweise die Mobilität mit dem Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) gefördert werden. Auch eine stärkere Beteiligung junger Menschen in politischen Gremien der Stadt könnte wertvolle Ideen liefern.“

Pastor Ulrich Pohl, Vorstandsvorsitzender der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, weist darauf hin, dass die jüngere Generation keine homogene Gruppe ist, sondern aus Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen besteht, was sich in den Berufswünschen widerspiegelt. „Rund 500 junge Menschen nutzen das Betheljahr zur Berufsorientierung. Aus meiner Sicht müssen wir früher ansetzen, wenn wir darüber nachdenken, ob Bielefeld für die Jugend gut aufgestellt ist. Und zwar bei den Kindern und nicht bei der Gen Z. Die Entscheidung für oder wider einen Zuzug nach Bielefeld ist die Infrastruktur mit Wohnung, Kita, Schule und Mobilitätsangeboten. Wir stellen immer wieder fest, dass berufliche Entscheidungen von diesen Faktoren abhängig gemacht werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Digitalisierung. Hier stellt sich die Frage: Wie qualifizieren wir junge Menschen, damit sie den Anforderungen gerecht werden? Der Anteil derer ohne Schulabschluss ist seit Jahren auf einem hohen Niveau.“

Im Gespräch: Brigitte Meier, Regine Tönsing, Martin Knabenreich (v.l.n.r.)

Hier knüpft Regine Tönsing, Hauptgeschäftsführerin DEHOGA Ostwestfalen, an. „Viele, die in der Schule nicht so gut sind, könnten durch eine Ausbildung motiviert werden. Gerade in der Corona-Zeit haben wir gemerkt, wie wichtig Treffpunkte für junge Menschen sind. Sie brauchen einen Platz und hierbei spielt die Gastronomie eine wichtige Rolle. Clubs sind als soziales Umfeld wichtig. Hier brauchen wir interessante Angebote, um als Stadt für junge Menschen attraktiv zu sein, damit sie auch gern ihre Wochenenden in Bielefeld verbringen und nicht nach Hause pendeln. Das müssen wir weiterdenken und auch über die Abschaffung der Vergnügungssteuer nachdenken, die den Club-Besitzern das Leben unnötig schwermacht.“

Auch Christina Végh, Direktorin der Kunsthalle Bielefeld ist ganz entschieden der Ansicht, die Jugend zu fragen, was sie will und braucht, um ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich entfalten kann. „Wir müssen junge Menschen gestalten lassen, im Arbeitsumfeld die Praktikanten und Volontäre einfach mal machen lassen. In der Kunsthalle haben wir ganz viele unterschiedliche Maßnahmen ergriffen, um insbesondere für Jüngere ein attraktives Angebot zu schaffen. Es hat etwas gedauert, aber bei der letzten Vernissage hatten wir ein ausgesprochen junges Publikum. Insgesamt ist die Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen der zentrale Punkt. Angefangen bei der kommunalen Verwaltung. Wenn man die Jugend ernst nimmt, müssen diese Hürden aus dem Weg geräumt werden. Denn eines ist klar, die Jugend geht dahin, wo schon junge Menschen sind. Deshalb muss Bielefeld die ins Bild rücken, die bereits hier sind. Bielefeld hätte eine gute Chance, ein Vorbild zu werden. Eine grüne Stadt mit einem guten ÖPNV, die als gutes Beispiel vorangeht.

Viel Diskussionsstoff: Dr. Lars Kruse, Pastor Ulrich Pohl, Christina Végh (v.l.n.r.)

Während der Diskussion wurde deutlich, dass es viele strukturelle Hürden existieren, die zwar nicht allein in Bielefeld gelöst werden können. Nichtsdestotrotz gibt es eine Reihe von Stellschrauben, an denen gedreht werden kann, wie zum Beispiel eine attraktivere Gestaltung der Innenstadträume oder die Förderung von bezahlbaren Wohnungen. In Sachen Mobilität wurde ein Ausbau des ÖPNV als Faktor genannt ebenso wie bessere Radwege – insbesondere in den Außenbezirken. Es wurde vielfach von Mut gesprochen, sich auch städtebaulich etwas zu trauen, damit die Innenstadt selbst ein Ort wird, an dem gelebt, gearbeitet, geshoppt sowie Kultur und Handwerk erlebt wird. Es gibt jede Menge zu tun. Umso wichtiger, die Weichen für die Stadt zukunftsweisend in Richtung jüngerer Generation zu stellen.

Also, wenn ich es mir so recht bedenke, stolpere ich über die Frage, ob unsere Stadt gut genug für junge Menschen ist. Die Kultur einer Stadt entsteht ja durch das Miteinander aller Menschen. Insofern sind unsere jungen Bielefelderinnen und Bielefelder selbst Mitgestaltende der Stadtgesellschaft. Gibt es dafür ausreichend Entfaltungsräume? Ich glaube Ja, denn nicht umsonst ist auch für Jugendliche aus Ostwestfalen Bielefeld das kulturelle Zentrum und attraktiv fürs Ausgehen und Shoppen.

Um die Vielfalt der Meinungen noch besser abzubilden, haben wir auch die Beiratsmitglieder, die an dem Termin nicht anwesend sein konnten, um ihre Ansicht gebeten. Petra Pigerl-Radtke, Hauptgeschäftsführerin der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld meint zu der Frage, ob Bielefeld gut (genug) für junge Menschen ist:

“Also, wenn ich es mir so recht bedenke, stolpere ich über die Frage, ob unsere Stadt gut genug für junge Menschen ist. Die Kultur einer Stadt entsteht ja durch das Miteinander aller Menschen. Insofern sind unsere jungen Bielefelderinnen und Bielefelder selbst Mitgestaltende der Stadtgesellschaft. Gibt es dafür ausreichend Entfaltungsräume? Ich glaube Ja, denn nicht umsonst ist auch für Jugendliche aus Ostwestfalen Bielefeld das kulturelle Zentrum und attraktiv fürs Ausgehen und Shoppen. Beim Blick in die Zukunft der jungen Menschen bietet Bielefeld jede Menge Chancen zur Weiterentwicklung Denn hier haben wir klasse Unternehmen, ein breites Ausbildungsangebot, coole Startups, gute Hochschulen, ein soziales, nachhaltiges und gesundes Umfeld. Und wenn denn dann doch etwas aus Sicht der Jugendlichen nicht passen sollte: Einfach mitmachen, um es zu ändern – und das hier vor Ort in Bielefeld. Denn: „Wir können Zusammen!“”✔

Foto: Fabian Freitag