Mit Einsatz & Know-how

„Bei meinem ersten Einsatz als Prüfer war ich wahrscheinlich genauso aufgeregt wie die Prüflinge selbst“, lacht Evgenij Sudermann. Das liegt allerdings schon eine Weile zurück. Bereits seit 2016 ist der Leiter gewerbliche Ausbildung beim Bielefelder Unternehmen Goldbeck ehrenamtlich als Prüfer in der Dualen Ausbildung tätig. Jetzt geht er in seine zweite Amtszeit.

Die ehrenamtlichen IHK-Prüferinnen werden in der Regel für die Dauer von fünf Jahren berufen. Sie begutachten und korrigieren Prüfungsarbeiten, Arbeitsproben, Präsentationen und Dokumentationen, führen Prüfungsgespräche und beaufsichtigen die schriftlichen und praktischen Prüfungen. „Für den Bereich Konstruktionsmechanik sind wir insgesamt etwa 20 Prüfer“, berichtet Evgenij Sudermann. „Für jede Prüfung bilden wir ein Team aus vier bis fünf Prüfern. Das hängt von der Anzahl der Prüflinge ab. Normalerweise führen zwei von uns die Aufsicht und zwei weitere kümmern sich um die Fachgespräche.“ Bei den Fachgesprächen werden so unterschiedliche Aspekte wie aufgewendete Arbeitszeit, Umweltschutz, Sicherheit, strukturiertes Vorgehen und vieles mehr bewertet. „Am spannendsten finde ich die abschließende Auswertung der Bauteile“, sagt der Ehrenamtler. „Dann haben wir 20 bis 30 Teile vorliegen. Anhand der Bauteile kann man sehr gut die Entwicklung der Jugendlichen ablesen und wie die verschiedenen Unternehmen mit dem Thema Ausbildung umgehen. Uns allen geht es darum, den Auszubildenden eine faire Prüfung zu ermöglichen und ihnen eine Perspektive für die Zukunft zu geben.“ Für sein Ehrenamt ist Evgenij Sudermann viel unterwegs, denn die praktischen Prüfungen für Konstruktionsmechanikerinnen finden in den Werkhallen der großen Unternehmen in der Region statt, die auch die Maschinenwerkzeuge stellen. Anders als bei schulischen Prüfungen sind die der IHK bundesweit einheitlich. Am Prüfungstag wird der versiegelte Umschlag mit den Aufgaben geöffnet und die Auszubildenden können loslegen. Erarbeitet werden die Aufgaben vom PAL-Fachausschuss.
Die Prüfungsaufgaben- und Lehrmittelentwicklungsstelle der IHK Region Stuttgart ist die zentrale Aufgabenerstellungseinrichtung der Industrie- und Handelskammern für die Entwicklung gewerblich-technischer Prüfungsaufgaben. Auch in diesem Fachausschuss arbeitet Evgenij Sudermann für den Bereich Konstruktionsmechanik ehrenamtlich mit. „Hier wollen wir unter anderem sicherstellen, dass die Prüfungsaufgaben tatsächlich in der vorgegebenen Zeit zu schaffen sind.“

Engagement für die Jugend

Für sein ehrenamtliches Engagement wird der Leiter gewerbliche Ausbildung von seinem Arbeitgeber freigestellt. „Das Ehrenamt hat bei Goldbeck einen sehr hohen Stellenwert. Das wird von der Geschäftsleitung vorgelebt. Wir wollen uns für die Jugendlichen engagieren und ihnen Perspektiven aufzeigen. Außerdem können wir für die Gestaltung unserer eigenen Ausbildung lernen, wenn wir sehen, wie andere Betriebe ausbilden“, berichtet Evgenij Sudermann. „Mit 36 Jahren gehöre ich bei den Prüfern zu den jüngsten. Meine Ausbildung zum Zerspanungstechniker habe ich 2007 abgeschlossen, das ist zwar noch nicht so lange her, aber im Bereich der Ausbildung hat sich seither viel getan. Ich bin noch klassisch an der Werkbank ausgebildet worden. Die Ausbildung ist viel digitaler geworden und die Jugendlichen heute lernen anders. Sie sind es gewohnt, alles jederzeit online nachschlagen zu können. Da müssen wir in der Ausbildung darauf achten, dass die Grundlagen und eine strukturierte Arbeitsweise trotzdem im Kopf verankert sind. Denn wenn ich beispielsweise zu einer Baustelle rausfahre, um etwas zu vermessen und ich habe die Wasserwaage vergessen, kann mir Google auch nicht helfen.“ Das Ehrenamt ist für Evgenij Sudermann, der im Alter von sechs Jahren von Kasachstan nach Deutschland kam, eine Herzensangelegenheit. „Wir alle wollen und brauchen gut ausgebildeten Nachwuchs, deshalb ist es so wichtig, praktisches Know-how zur Verfügung zu stellen.“ Und der engagierte Ausbildungsleiter handelt danach. Gerade hat er im Auftrag der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) russische Prüfer geschult – in Landessprache und natürlich ehrenamtlich.