Norbert Horst, Kriminalkommissar und Krimiautor

Ich war fast 46 Jahre lang Polizist in vielen Funktionen und habe diesen Beruf immer gern, nicht selten begeistert ausgeübt. Das hat eine ganze Reihe von Gründen. Ob anfangs im oft unterschätzten und im TV Krimi meist grausam falsch dargestellten Streifendienst oder später als Ermittler in unterschiedlichen Bereichen, immer habe ich – bis auf die oft defizitäre Führungskultur – viele Elemente der Arbeitszufriedenheit intensiv erleben dürfen. Dazu zähle ich Aspekte wie die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns ebenso wie die zweifellos sehr besondere Kollegialität bei der Polizei, die mit jener in anderen Berufen kaum vergleichbar ist. Weiterhin glaube ich, nirgendwo sonst hat man beruflich so umfassend mit Menschen in all ihren positiven und negativen Lebenssituationen zu tun, was außerordentlich interessant ist und sehr befriedigend sein kann.

Natürlich gibt und gab es in allen Phasen meines Lebens Autorinnen und Autoren, die ich großartig finde und fand. Hesse in der frühen Jugend, die Amis der „Lost Generation“ in meinen Zwanzigern oder heute etwa John Burnside oder Ralf Rothmann. Dennoch hatte ich nie explizite Vorbilder, was nicht überheblich oder eitel klingen soll, aber ich will als Autor natürlich niemanden kopieren, auch niemanden, der mich begeistert. Sicherlich ist es ohne Zweifel so, dass jeder Text, der mich je eingefangen hat, auch Einfluss auf mein Schreiben hatte. Aber ich hoffe sehr, es ist dann etwas Eigenes daraus entstanden. Kriminalliteratur als literarisches Genre habe ich übrigens erst spät entdeckt und musste dann viel nachholen. Die ersten, die mich da wirklich gepackt haben, waren die englischsprachigen Klassiker wie Hammett, Highsmith oder Ellroy.

Mein Autorenkollege Andreas Izquierdo (Anmerkung: Liest auch im MuMa) hat den klugen Satz geprägt: Es gibt Menschen, die schreiben gern, und es gibt jene, die haben gern etwas Gutes geschrieben. Ich gehöre eindeutig zur zweiten Gruppe, und dieser Umstand war vermutlich auch mein Antrieb, schon in der Jugend zu schreiben. Nicht der kreative oder meditative Vorgang des Schreibens, sondern die Freude am fertigen Text, auch am eigenen. In meiner Schulzeit hatten wir im Deutschunterricht noch Lesebücher (existieren die heute noch?), die immer voller sehr unterschiedlicher Texte waren. Ich habe es am Anfang des neuen Schuljahres immer geliebt, darin zu stöbern, mich von unbekannter Lyrik ergreifen zu lassen, fremde Märchen kennenzulernen oder bei Wolfgang Borchert zu erfahren, was Literatur kann.

Schreiben ist ein einsames Geschäft, eine Binsenweisheit. Darum empfinde ich wie die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen Lesungen als etwas Wunderbares, und zwar aus verschiedenen Gründen. Das Schönste für mich dabei ist, ganz unmittelbar zu spüren, wie der Text wirkt, was einem als Autor ja sonst verborgen bleibt. Wo wird gelacht? Wo sind die Leute berührt, wo ergriffen, wo haben sie Fragen? Und ich will nicht verhehlen, dass es auch angenehm ist, nicht nur hin und wieder zu Hause gute Rezensionen zu lesen, sondern auch die Anerkennung mal ganz unmittelbar und direkt zu erfahren. Nach fast zwanzig Jahren im Geschäft habe ich wirkliches Lampenfieber bei Lesungen nur noch sehr bedingt, ein positiver Grundstress ist aber immer vorhanden. Vielleicht bei ganz außergewöhnlichen Lesungen oder bei der Vorstellung eines neuen Buches, bei diesen Gelegenheiten ist es sicher immer noch aufregender als sonst.

„Einige Leute halten Fußball für eine Sache von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich versichere Ihnen, dass es viel ernster ist!“Dieses mittlerweile berühmte, wunderbar lakonische Zitat des englischen Fußballtrainers Bill Shankly ist sicher übertrieben, aber wie viele Jungen wollte auch ich mit 13 Jahren Fußballprofi werden. Hat nicht geklappt, was aber den Spaß am Spiel nicht geschmälert hat. Denn Fußball ist immer etwas gewesen, wofür ich mich begeistern konnte, aktiv wie auch als Fan. Stichwort Fan: Eigentlich sind wir seit Generationen traditionell eine königsblaue Familie, also Schalker. Aber seit ich in den 70ern von der Stahlrohrtribüne auf der Alm Arminia (mit Burdenski, Braun und Roggensack) gegen Gladbach (mit Netzer, Vogts und Heynckes.) gesehen habe, gehören auch Arminia meine Sympathien. Umso größer sind derzeit meine Trauer und Abscheu, wenn ich beobachten muss, wie die Infantinos und Neymars dieser Welt dieses wunderbare Spiel und damit das gesamte faszinierende Phänomen Fußball auf dem Altar der Gier opfern.

Wo immer ich im deutschsprachigen Raum lese und erzähle, woher ich komme, ich bin immer wieder überrascht, wie falsch die Stadt am Teuto eingeschätzt wird, und damit meine ich nicht die obligatorische Frage, ob es Bielefeld überhaupt gibt. Schon wenn ich erwähne, dass es eine wirkliche Großstadt mit 350.000 Einwohnern und größer ist als etwa Bonn, Karlsruhe oder Chemnitz, sind viele verwundert. Ich selbst habe mich in den vielen Jahren meiner beruflichen Zeit in Bielefeld immer sehr wohlgefühlt, und mir war der oft überkritische Blick ein Rätsel. Es gibt viele schön Ecken in der Stadt, auch jenseits von Altem Markt, Siggi oder Oetker-Park. Außerdem gefällt mir diese quirlige, sehr lebendige Stimmung einer Uni-Stadt. Und Kriminalität, tja … Ganz aktuelle Zahlen habe ich nicht, aber viele Jahre gehörte Bielefeld zu den sichersten Großstädten in Deutschland. Ich denke, daran hat sich nicht viel geändert.

Ich mache viel Sport, koche auch mal, weil es sein muss, ein Hobby im klassischen Sinne habe ich jedoch nicht. Als kulturell interessierter Mensch liebe ich aber Musik und den Film, und das kann in Zeiten des Internets bei jemandem wie mir manchmal dazu führen, dass ich grandios Zeit verbrenne. Ob beim Anschauen von Lieblingsfilmszenen auf Youtube, auf der Suche nach einem bestimmten Gedicht von Mascha Kaléko oder wenn ich den Mitschnitt eines 1974er Konzerts von Genesis in Ur-Besetzung entdeckt habe, bei solchen Gelegenheiten kann schonmal ein Nachmittag draufgehen, an dem ich eigentlich Rasen mähen oder ein Kapitel hätte schreiben müssen. Es gibt Menschen in meinem Umfeld, die nennen das ein Laster 😉.

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